Öffentliches Forum an der Universität Cáceres zur Erweiterung der Estação Ecológica Taiamã im Pantanal – hitzige Debatte zwischen Regierung, Viehzüchtern und Fischern über Naturschutz und Ökotourismus.

Zwischen Naturschutz und lokaler Realität – die Diskussion um die Erweiterung des Taiamã-Schutzgebietes im West-Pantanal

Zwischen Naturschutz und lokaler Realität – die Diskussion um die Erweiterung des Taiamã-Schutzgebietes im West-Pantanal

Öffentliches Forum an der Universität Cáceres zur Erweiterung der Estação Ecológica Taiamã im Pantanal – hitzige Debatte zwischen Regierung, Viehzüchtern und Fischern über Naturschutz und Ökotourismus.
Öffentliches Forum an der Universität Cáceres zur Erweiterung der Estação Ecológica Taiamã im Pantanal – hitzige Debatte zwischen Regierung, Viehzüchtern und Fischern über Naturschutz und Ökotourismus.
Öffentliches Forum an der Universität Cáceres zur Erweiterung der Estação Ecológica Taiamã im Pantanal – hitzige Debatte zwischen Regierung, Viehzüchtern und Fischern über Naturschutz und Ökotourismus.

Zwischen Naturschutz und lokaler Realität – die Diskussion um die Erweiterung des Taiamã-Schutzgebietes im West-Pantanal

Gestern fand an der Universität in Cáceres ein großes öffentliches Forum statt. Rund 300 bis 400 Menschen waren gekommen, um ein Thema zu diskutieren, das die Region bewegt: die geplante Erweiterung der Estação Ecológica Taiamã, eines der strengsten Naturschutzgebiete im Pantanal.

Die Debatte war hoch emotional und spaltete die Teilnehmer klar in zwei Lager:

  • Die staatlichen Institutionen und lokale Studenten, die die Erweiterung des Schutzgebietes um das Vier- bis Fünffache vorantreiben wollen.

  • Die lokalen Akteure, vor allem Viehzüchter (ca. 25 % der hinzugefügten Fläche wird saisonal als Weideland genutzt) und teilweise auch traditionelle Fischer, die sich in ihrer Existenz und in ihren Traditionen bedroht sehen.

Warum die Diskussion so komplex ist

Eigentlich könnte man meinen: Wenn ein Schutzgebiet vergrößert wird, sollten alle, die wie wir mit Ökotourismus arbeiten, Freudensprünge machen. Doch die Realität ist komplizierter.

1. Bestehender Schutzstatus
Ein großer Teil der Flächen, die neu einbezogen werden sollen, unterliegt bereits Dekreten, die z. B. das Fischen verbieten. Viele fragen sich daher, warum ein zusätzlicher Nationalpark nötig ist – zumal das Hauptargument die Sicherung der Fischbestände ist.

2. Verlust des Zugangs
Die Estação Ecológica Taiamã gehört zur strengsten Kategorie brasilianischer Schutzgebiete. Der Zugang ist streng reguliert, meist ausschließlich für Forschung. Für Pantaneiros, also traditionelle Fischer und einzelne Farmer, könnte das Enteignung gegen Entschädigung und eine dauerhafte Vertreibung bedeuten.

3. Rolle der Viehwirtschaft
Die traditionelle Rinderhaltung im Pantanal hat, anders als intensive Landwirtschaft, bislang vergleichsweise geringe direkte Auswirkungen. Durch die natürlichen Überflutungen sind Sojaanbau oder andere großflächige Monokulturen kaum möglich. Seit Jahrhunderten ernähren sich die Tiere vom natürlichen Weideland, ähnlich wie in den Alpen – ohne die lokale Fauna stark zu beeinträchtigen. Manche argumentieren sogar, dass das Grasen der Rinder trockenes Material reduziert und so Brände verhindert.
Wir arbeiten selbst mit einer Pantanero-Farm zusammen und können bestätigen: Diese Menschen sind überraschend oft die größten Naturschützer, die wir kennen.

4. Brandbekämpfung
Lokale Farmer reagieren meist sofort, wenn ein Feuer ausbricht – sie leben vor Ort. Ob staatliche Institutionen Brände ebenso effektiv und schnell bekämpfen könnten, bleibt fraglich. Andererseits kann man argumentieren, dass weniger landwirtschaftliche Aktivitäten auch weniger Brandrisiken bedeuten, da Brände teilweise durch landwirtschaftliche Unfälle wie Kurzschlüsse entstehen.

Ökotourismus: Hoffnung und Grauzone

Einige brasilianische Nationalparks gehören zu den restriktivsten weltweit. Im Gegensatz zu vielen positiven Beispielen aus Afrika oder Nordamerika sind manche Parks hierzulande vollständig abgesperrt. Besucher, Touristen, selbst Einheimische – alle bleiben draußen. Zugang haben nur Forscher. Das ist bedauerlich, denn in vielen Ländern hat man verstanden, dass Einnahmen aus Ökotourismus ein zentraler Pfeiler der Naturschutzfinanzierung sein können.

Für uns als Unternehmen, das zu 100 % mit Ökotourismus arbeitet, ist klar: Schutz macht nur dann Sinn, wenn er mit nachhaltiger Nutzung verbunden wird. Wozu Natur schützen, wenn niemand sie auch sehen darf?

Doch auch hier gibt es rechtliche Unsicherheiten:

  • Offiziell ist der Zugang streng geregelt.

  • In der Praxis bewegt man sich oft in einer Grauzone.

  • Bei Kontrollen wird uns empfohlen, anzugeben, wir seien „im Transfer“. Denn der Rio Paraguay, der durch den Park fließt, ist ein offizieller Verkehrsweg, den man nicht sperren darf.

So finden heute schon Jaguar-Safaris vom Boot aus statt – ein Tourismuszweig, den Cáceres dringend braucht. Die Stadt benötigt mehr internationale Sichtbarkeit, zusätzliche Einnahmen und ein stärkeres Bewusstsein der Bevölkerung für das wertvolle Ökosystem direkt vor ihrer Haustür.

Politische Polarisierung

Besonders nachdenklich stimmt uns, dass die Debatte entlang der bekannten politischen Linien Brasiliens verläuft: links gegen konservativ, staatliche gegen private Interessen. Respektlosigkeiten und persönliche Angriffe waren leider Teil der Diskussion. Dabei wäre gerade jetzt ein konstruktiver Dialog nötig. Naturschutz kann nur funktionieren, wenn die Menschen vor Ort einbezogen werden.

Das Forum war dennoch ein wichtiger erster Schritt. Wir hoffen, dass die Vielzahl an Einwänden und offenen Fragen in den nächsten Schritten berücksichtigt wird.

Unser Fazit

Wir sehen beide Seiten:

  • Ja, eine Erweiterung kann ökologisch sinnvoll sein.

  • Aber sie darf nicht dazu führen, dass die Pantaneiros, die seit Generationen hier leben, vertrieben werden.

Wenn es gelingt, den Ökotourismus als offiziellen Bestandteil der Nutzung im neuen Nationalpark zu verankern, wäre viel gewonnen. Nur so lässt sich Natur bewahren und zugleich erlebbar machen – für die Menschen vor Ort, für Reisende und für den langfristigen Schutz des Pantanals.

Denn eines ist klar: Das Pantanal kann nur geschützt werden, wenn auch die Pantaneiros eine Zukunft darin haben. Statt sie zu vertreiben, müssen wir Einkommen zu ihnen ins Pantanal bringen – und Ökotourismus ist dafür der beste Weg.

10.09.2025

Sandro Heusinger

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